Beobachtungsbericht vom 16. Juli 2010

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Alrukaba
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Beobachtungsbericht vom 16. Juli 2010

Beitrag von Alrukaba »

Der vierte und letzte Bericht einer erstaunlichen Beobachtungsserie, dank eines lang anhaltenden Azoren Hochs, berichtet wieder mal von unserem öffentlichen Tag auf der Alm. Gleich vorweg, auf Grund des großen Besucheransturms und ihres langen ausharren bei uns auf der Station, wurde es eine Nacht der üblichen Verdächtigen.
Der übliche E-Mail Verkehr blieb diesmal aus, es gab nur ein paar Antwortsmail auf meinen Aufruf und ein – zwei Anrufe, der Rest wurde bereits eine Woche vorher ausgemacht.
Kurz vor 9 Uhr war ich auf der Alm, ich stellte meine beiden Refraktoren auf und folgte Gerald, Josef und Kurt hinüber zur Almhütte auf einen erfrischenden Umtrunk. Werner und Hans hielten einstweilen die Stellung und kümmerten sich um die ersten Gäste.
Um 21 Uhr 45 ließ ich das Licht des fünf Tage alten Mondes durch den Tubus meines großen fallen, schenkte ihn aber weiter keine Aufmerksamkeit, da er schon knapp über den Baumwipfeln stand, sondern zeigte ihn nur unseren Gästen. Gerald stellte die Venus ein, da sich unser Begleiter von seinem Standplatz aus schon hinter einer Birke versteckt hatte. Um Saturn zu zeigen mußten wir uns ebenso sputen, denn auch er stand knapp über den Bäumen. Auf Grund des tiefen Standes und des nicht gerade grandiosen Seeing, war links nur Titan zu erkennen. Mars wurde nur wieder der Ordnung halber ins Visier genommen.
Das Seeing war diesmal leider nicht gerade vom feinsten, Schulnote 2-3. Die Temperatur war angenehm und lag bei ca. 25°, +/- 1 bis 2 Grad. Ein laues Lüftchen aus Süd-Ost war auch für das miserable Seeing verantwortlich, hielt uns aber das Tief ab, welches in Westen zu sehen war und woraus es auch immer wieder blitzte. Die Grenzgröße lag diesmal bei lediglich 6,2 mag.
Kurt und Sepp waren den ganzen Abend damit beschäftigt, Kurtl´s neue ASA-Montierung zu justieren, ob sie es hinbekommen haben weiß ich aber nicht. Sepp hatte zwar ein Gerät aufgebaut, zum beobachten ist er aber vermutlich nicht gekommen. Werner hatte ein planetarisches Programm am Laptop laufen und erklärte den Leuten so den Sternenhimmel. Gerald übernahm die gleiche Arbeit, teilweise gemeinsam mit Werner, untermalt mit sagenumwobenen Geschichten, drausen. Hans fotografierte M17 im Schützen, weshalb wir aufpassen mußten, mit unseren Laserpointern nicht zu weit südlich herumzuzeigen. Später lichtete er noch ein Objekt im Cepheus ab.
Ich hielt mich mit meinen beiden Geräten die meiste Zeit in der Milchstraße auf. Mizar-Alkor und Polaris waren zwei der Kandidaten, die ich außerhalb aufs Korn nahm. Anhand dieses Pärchens bzw. Trios erklärte ich unseren Besuchern den Unterschied zwischen einen optischen und einen physischen Dopplerstern, sowie was es mit der Präzession auf sich hat. 61 Cygni war der nächste und tauchte damit das erste Mal in die Milchstraße ein und ich erzählte ihnen, was ich über Parallaxen wußte. Um ihnen das Bild einer Milchstraße zu zeigen, holte ich die Andromeda Galaxie ins Okular mit samt ihren Begleitern. An den Rand unserer Galaxie entführte ich sie, als ich ihnen den Kugelhaufen M13 im Herkules zeigte.
Nun tauchte ich aber endgültig in das milchige Band über uns ein, welches sich im Norden, im aufgehenden Perseus erhob, sich hoch über uns, entlang des Meridians über Cassiopeia, Schwan und Adler legte und schließlich im Bereich Schütze und Skorpion wieder unter den Horizont tauchte. Das erste Ziel war der Hantelnebel, bei dem sich meine drei Beobachtungsgäste Daniela und Florian aus Weißenkirchen, sowie Max aus Wieselburg tatsächlich ein gewichtiges Trainingsgerät vorstellen konnten. Wenig Vorstellungskraft brauchte man auch nicht für den Kugelhaufen M71 im Pfeil und Cr 399, dem Kleiderbügel-Haufen im benachbarten Füchschen. Der kam allerdings im kleinen Refraktor schöner rüber, den ich wieder auf der unteren Terrasse aufgestellt hatte. Etwas mehr Vorstellungskraft brauchten sie aber bei M11, dem Wildenten-Haufen im Schild. Damit, hier einen Schwarm fliegender Wildenten zu sehen, taten sie sich etwas schwer. Abschnittweise zeigte ich ihnen mit meinen kleinen die Highlights der südlichen Milchstraße. Erst eben die Schildwolke mit M11, weiter unten die beiden Nebel M16 und M17 sowie den offenen M18, etwas tiefer M24 und M25 und schließlich den Trifid- und den Lagunen-Nebel. Über dem Ötscher visierte ich dann noch den Schmetterlingshaufen M6 an in dem wieder alle das namengebende Insekt identifizieren konnten.
Mit dem großen zeigte ich das eine oder andere Objekt nochmals einzeln. Zwei Kugelhaufen peilte ich auch noch an, NGC 6712 im Schild und M22 im Schützen, ehe wieder Jupiter auf dem Programm stand.
Unser Programm hätte normalerweise so ausgesehen, daß wir, nachdem uns die letzten Gäste verlassen haben, uns Objekten widmen, die Leihen eher nicht interessieren, sei es, weil man sich nur als Kenner etwas darunter vorstellen können oder man nach denen eine Weile erst suchen muß. In der Regel ist das so gegen Mitternacht. Aber das späte finster werden und die hohe Interesse einiger Gäste erlaubte dies diesmal nicht. Obwohl, die meisten verließen uns kurz nach Mitternacht, auch Werner verabschiedete sich um diese Zeit, da seine Hand schmerzte, die er sich bei einem Unfall verletzt hatte. Ein harter Kern blieb aber und als der abzog, kamen plötzlich von der Almhütte noch eine ganze Schar herüber, die dort ein Familientreffen hatten und das, wohl gemerkt um
1 Uhr 30. Aber ich schweife schon wieder ab und das wieder Mal bei Jupiter.
Der wabberte aber noch sauber über den Baumwipfeln im Südostwind umher. Details waren diesmal nicht so schön zu erkennen, lediglich die Monde boten den Besuchern einen faszinierenden Anblick. Sie standen alle links, erst noch Io und weiter in der Reihe Europa, Ganymed und Kallisto. Warum erst noch Io, der war beim nächsten Mal durchschaun nämlich futsch. Er war kurz davor, von Jupiter verfinstert zu werden aber aufgrund des miserablen Seeing und der geringen Vergrößerung, wurde er vermutlich vorher vom Riesenplaneten überstrahlt, denn die Verfinsterung begann erst, nachdem wir unseren Beobachtungsabend beendet hatten.
Mit unseren Gästen ging ich dann noch mal ein paar Objekte in der Milchstraße durch und zeigte ihnen außerdem Ny Scorpioni, in der Leier das Vierfachsystem Epsilon Lyra den Ringnebel und den Kugelhaufen M56 und zum Schluß die beiden offenen h/chi. Gerald redete sich noch mal mit seinen Sagen den Mund fusslich, Hans ließ seinem Laptop die Arbeit tun und legte sich schlafen und Kurt und Sepp resignierten vermutlich und verlegten ihre Justierung auf einen anderen Termin.
Kurz vor ½ 3 verabschiedeten sich die letzten Gäste aber um sich jetzt noch etwas zu suchen, dafür war ich zu müde also packten wir zusammen und fuhren nach Hause.
Fazit: Vermutlich war der Ansturm diesmal Nachwehen der Wieselburger Jagd und Fischerei Messe im Februar, bei der wir auch einen Stand hatten. Werner hatte zumindest in einem Mail erwähnt, das sich einige Gruppen bei ihm bereits telefonisch angemeldet hatten. Unsere ca. 30 bis 40 Besucher kamen aus Amstetten, Wieselburg, Weißenkirchen/Wachau und Wiener Neustadt, die Gruppe vom Familientreffen aus Wien, Baden und Umgebung und München. Auf jeden Fall hat das herumführen über den sommerlichen Sternenhimmel mindestens genau so viel Spaß gemacht, wie das beobachten mir unbekannter Welten und wenn ich auch diesmal nicht in Bereiche vorgedrungen bin, die ich noch nie zuvor gesehen habe, so hoffe ich, daß unsere Gäste mit einem bleibenden Eindruck des von uns gezeigten nächtlichen Himmels nach Hause gefahren sind.


Gerald hatte wieder seinen Dublette APO 120/900 dabei und ich meinen Fh 102/1000 und den kleinen mit 102/500.
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Christoph K.
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Beitrag von Christoph K. »

Hi Alex

Supa bericht. Hat doch auch etwas für sich wenn man einige Interessenten anziehen kann. Als beispiel für das Aussehen der Milchstraße hät ich jedoch eher die Feuerradgalaxie herangezogen. Ich find die kommt der offiziellen darstellung der Milchstraße näher.

lg. Christoph
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Alrukaba
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Beitrag von Alrukaba »

Servus Christoph!

Schön, daß dir mein Bericht gefällt. Ich hab mich da falsch ausgedrückt, ich wollte den Gästen einfach eine Galaxie zeigen und da bot sich mir am ehesten M31 an ohne viel suchen und mit 100%igen Aha-Erlebnis

Alex
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Beitrag von Ebenwaldler »

Hallo Alex,

schöner Bericht. Bei den "Menschenmassen" bin ich eigentlich froh, nicht dabei gewesen zu sein (war da ja gerade in Großbritannien , habe dort u.a. das Herschel-Haus in Bath gesehen, leider nur von außen, in dessen Garten ist ja Uranus entdeckt worden; und ich war auch im Geburts- und Wohnhaus von Isaac Newton, ja - und natürlich auch in Stonehenge......).

Anderseits erfreuen viele Besucher ja gerade eine Volkssternwarte, will man doch als Amateurastronom auch Laien für das Weltall interessieren.

Ich hoffe, dass ich im August oder September endlich wieder mal den Himmel am Hochbärneck erleben kann.

LG, Günter
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Alrukaba
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Beitrag von Alrukaba »

Servus Günter!

Danke erst mal. Im Sommer ist bei uns immer mit einen solchen Ansturm zu rechnen und ich wette, im September stehen wir wieder bei schönsten Wetter, alleine oben, zumindest war es letztes Jahr so. Aber da haben wir wenigsten Zeit zu beobachten. Wir sehn uns also heuer noch

Alex
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rorma
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Beitrag von rorma »

Hallo Alex,


super Bericht (wie immer schwer zu Toppen). Ihr seids ja ganz arg engagiert.
Super, das ihr unser Hobby auch anderen Interessierten näher bringt, aber es bleibt dann halt wenig Zeit für eigene Beobachtungen oder?

HG Robert
"Erwarten Sie nicht, beim Schauen schon zu sehen. Sehen ist eine Kunst, die erlernt werden muss!"
William Herschel
C11 CPC + Hyperstar, Skywatcher ED 80
MGEN II, Canon Eos 350D; 1000Da,
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Alrukaba
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Beitrag von Alrukaba »

Servus Robert!

Danke für deinen Komentar! Manchmal ist es schon mühsam aber es war, glaub ich das erste mal, das so spät noch Gäste gekommen sind. Normal sind wir ab Mitternacht alleine und ungestört. Aber trotz des leichten Sarkasmus den man aus meinem Text herauslesen kann, macht es mir immer wieder Spaß, mit nicht ganz so bewanderten durch das Universum zu wandern

Alex
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Christoph K.
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Beitrag von Christoph K. »

Hi Alex
dem schließ ich mich an. Ich habs auch recht gern ein paar laien ans Teleskop locken zu können. Nicht zuletzt wegen der Hoffnung wieder wem zu unseren Hobby bekehren zu können. das rcx wär eigentlich super für solche führungen, nur schade dass gerade laien die umständliche bedienung über die hbx die Sache nicht ganz einfach macht. Da ist es natürlich weitaus besser über einen simplen 1:10 auszug fokussieren zu können. Hab auchschon in betracht gezogen eine extrahandbox mit nur zwei drehknöpfen zu entwickeln mit der man das rcx auf konventionelle weise 1:10 fokussieren kann. Dürfte nicht ganz einfach sein, weil die fokussteuerung in digitaler form als steuerprotokoll eingespeist werden müsste... wenn irgendwas hightech (soviele vorteile das auch hat) ist wirds leider oft unnötig kompliziert, dann freu ich mich immer wenn ich am apo beobachte und das einzig elektrische dran der telrad ist. Da kann man die zeit von anfang an für objektsuche und beobachtung nutzen, was das ganze wesentlich stressfreier gestaltet.

lg. Christoph
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