Beobachtungsbericht zum Venustransit vom 6. Juni 2012

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Alrukaba
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Beobachtungsbericht zum Venustransit vom 6. Juni 2012

Beitrag von Alrukaba »

Für Europa war das Datum vor einiger Zeit der Tag der Befreiung. Für eine junge Familie, den Eltern eines Freundes, der Tag, an dem ihr Sohn das Licht der Welt erblickte. Ob es für sie auch ein Tag der Befreiung war, sei dahingestellt. Für viele Astronomen, ob nun Amateure oder Profis, wird es immer der Tag sein, an dem sie ein Himmelsschauspiel beobachteten, vielleicht sogar das erste Mal, wie sie es in ihrem Leben nie wieder sehen werden.
Ein Venustransit ist ein so seltenes Ereignis, sodaß die letzten beiden Transite in Abstand von 8 Jahren, 1874 und 1882, meine Ururgroßeltern hätten beobachten können.
Den ersten Durchgang hätte Kepler vorausberechnet. Nur starb er ein gutes Jahr vorher, aber der wäre in Europa ohnehin nicht sichtbar gewesen.
Seine Berechnungen reichten aber nur bis ins Jahr 1636. So nahm sich Jeremia Horrocks Keplers Rechnungen vor und auf der Grundlage der Lansberg'schen Tafeln und jahrelanger eigener Beobachtungen der Venus sagte Horrocks einen Venustransit für Ende 1639 voraus. Da seine Berechnungen erst kurz vor dem Ereignis abgeschlossen waren, konnte er außer seinem Freund William Crabtree keine weiteren Astronomen benachrichtigen, sodass der Transit nur von den beiden beobachtet wurde.
Horrocks fokussierte das Bild der Sonne durch ein Teleskop auf ein Stück Karton und beobachtete so das Ereignis. Crabtree machte es ihm bei sich zu Hause gleich. Überrascht waren sie, weil die Venus nur als kleine schwarze Scheibe zu sehen war, glaubte man doch damals, sie würde die Sonne um ein Viertel verfinstern.
Beide waren übrigens Amateure. Horrocks studierte zwar in Cambridge, brach aber sein Studium 1635 ohne Abschluß ab und Crabtree war Kaufmann.
Um den Abstand der Erde zur Sonne zu bestimmen, reisten 1761 einige Astronomen um den halben Erdball, um den Transit am 6. Juni des Jahres zu beobachten. Guillaume Joseph Hyacinthe Jean-Baptiste Le Gentil de la Galaisière wollte dieses von Pondicherry in Indien aus tun. War dies bei seiner Abreise noch französisch, so durfte er bei seiner Ankunft nicht an Land gehen, weil Pondicherry mitlerweile verry British war. So mußte er den Transit vor Mauritius vom schaukelnden Schiff aus beobachten. An eine genaue Zeitmessung, um die Kontakte festzustellen, war dabei nicht zu denken.
Egal, da der nächste Transit ohnehin schon 8 Jahre später stattfand, blieb Jean Baptiste gleich in der Gegend und hielt sich hauptsächlich in Madagaskar auf, um den Durchgang in Manila auf den Philippinen zu beobachten. Die Spanier erlaubten ihm aber dies nicht und so reiste er zurück nach Pondicherry, daß zu der Zeit wieder in französischer Hand war.
Wieder hatte er Pech, da diesmal das Wetter nicht mitspielte. Zerknirscht fuhr er wieder nach Hause nach Frankreich, wo die nächste Überraschung wartete. Da seit seiner Abreise gut und gern 10 Jahre vergangen waren und niemand von ihm hörte, wurde er inzwischen für tot erklärt.
Zurück zur Gegenwart. Natürlich hatten auch meine Beobachtungskameraden und ich eine gemeinsame Beobachtung ins Auge gefasst. Ich hatte mir dafür schon lange Urlaub genommen.
Als geeigneter Beobachtungsort fiel mir in der Nähe nur der Hochkogel ein und der wurde beim Vereinsabend am Montag vorher auch als solcher dafür auserkoren. Hat man doch da, auf 630 Meter, freien Blick nach Nordosten, wo dieser erst nach gut 30 bis 40 Kilometer auf den doch höheren Ostrong oder Jauerling prallt. Skeptikern schickte ich eine Ansicht von Google-Earth bei Sonnenaufgang und den Orientierungslosen eine Anfahrtsroute.
Das Wetter spielte natürlich auch so seine Rolle. Waren eine Woche vorher nur Sonnensymbole im Mittwoch zu finden, so wurde sie im Laufe der Woche immer mehr von Wolken verfinstert und einmal war sogar Regen dabei.
Am Dienstag davor zeigte die ZAMG-Wolkenanimation eine Wolkenfront, die am Dienstagnachmittag abzog und wo erst am Mittwoch früh eine neue anflog. Genau so war es dann auch. Ich stellte mir den Wecker auf ½ 4 und als ich mit meinem Hund kurz vor die Tür ging, konnte ich Arkturus im Westen gut erkennen. Als ich kurz nach ½ 5 am Beobachtungsort war, stand die Wolkenfront ca. über der Enns.
Außerdem waren Werner, Kurt und Roman schon da. Roman hatte gar zwei Teleskope, Werner wollte nur mitspechteln, hatte aber seinen Refraktor für Sepp aufgestellt, daß der damit fotografieren kann.

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Mein kleiner war rasch aufgestellt und das erste was ich machte, war ein paar Fotos vom Mond. Nach und nach trudelten auch die anderen ein. Toni hatte seinen Newton dabei, Jürgen fotografierte nur und spechtelte mit. Michael und Raffael haben es mit dem Hochkogel etwas zu wörtlich genommen und waren schon am Gipfel. Sie dachten doch Tatsächlich, wir würden alle unsere Geräte 50 Höhenmeter auf den Gipfel schleppen. Auch Heiner wollte nur mitspechteln und Gerald kam gar mit seinem Roller, Speki und Champingsessel umgehängt. Sepp schaffte es gerade noch vor Sonnenaufgang, Peter, Gudrun und Willy kamen etwas danach. Und somit konnte das Spektakel losgehn.
Gleißend hell stieg die Sonne über den Horizont und färbte den Himmel rot. Erst mal ein Blick durch das Okular. Die Sonne war zwar noch nicht ganz aufgegangen, aber die schwarze Venus war schon zu erkennen.
Als nächstes machte ich einige Fotos frei Hand. Leider wählte ich die falsche Belichtungszeit und so kann man die Venus vor der Sonne nicht erkennen. Und dann machte ich das erste Foto durch das Okular. Ich hielt meine Kamera ans Okular, schaute daß die Sonne gut im Mittel war und drückte ab.
Jeder Stand im Bann der Sonne und unsrer inneren Nachbarin. Sepp machte die erste Serie und jeder andere beobachtete irgendwie das Spektakel, ob mit einer Sofibrille, einem Teleskop oder wie Michael mit einem Coronado.

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Naja, das Seeing war nicht gerade das Gelbe vom Ei, wir hatten gerade mal +5° und uns wehte ein kräftiger Ostwind um die Ohren. Dennoch war jeder von dem Himmelsschauspiel fasziniert. Aber mit jedem Grad, die sich die Sonne in die Höhe schob, kam auch die Wolkenfront immer näher und die Venus näherte sich immer mehr dem östlichen Rand.
Durch Michaels Koronado konnte man sogar eine Sonnenfackel in die Höhe steigen sehen, Kurt beobachtete den Durchgang mit einem Binokular und Sepp und Raffael schoßen eine Serie nach der anderen.
Durch die Baderfolie von Kurt´s Dobson konnte man das Ereignis ebenfalls gut beobachten und gleich schoßen alle ein Foto durch den Sonnenfilter.
Da fiel mir erst östlich der Sonne eine Nebensonne auf, danach auch westlich und mit dem Vorstoß der Schlechtwetterfront zog sich ein durchgehendes Halo um unser Tagesgestirn.
Auch einige Ballonfahrer nutzten das noch gute Wetter für eine Fahrt und beobachteten offensichtlich das Ereignis vom Ballon aus. Erst bemerkten wir nur einen, dann waren es schon drei und am Ende zählten wir an die 15 Ballons, die für die Ballonstaatsmeisterschaft, die am Wochenende in Wieselburg über die Bühne ging, eine Art Qualifighting unternahmen.

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Die Sicht auf die Sonne wurde immer milchiger, der dritte Kontakt näherte sich genauso schnell wie die Wolkenfront und es wurde langsam über ein Frühstück nachgedacht. Toni wollte dafür sogar einen Rehrücken mitnehmen, ließ es aber dann doch sein. Michael und Raffael luden uns zu einer Besichtigung ihrer Sternwarte am Haberg ein und so beschloßen wir unser Frühstück vorher beim Fürst in Steinakirchen einzunehmen.
Der dritte Kontakt konnte noch einigermaßen beobachtet werden. Um durch die Venusatmosphäre das Sonnenlicht zu sehen, dafür war es zu trüb. Den vierten Kontakt konnten wir nicht beobachten, da die Sonne nun vollständig von Wolken bedeckt war und wir bauten alle unsre Geräte ab. Allein Gerald blieb hartnäckig und berichtete uns davon, obwohl wir bezweifelten, daß er da wirklich noch etwas erkennen konnte.
Zirka 20 Minuten nach dem 4. Kontakt hatten wir alles in unseren Autos verstaut und fuhren frühstücken. Willy, Jürgen und Toni schloßen sich uns nicht mehr an. Willy und Jürgen mußten arbeiten und Toni hatte andere Gründe. Gerald stieg beim Gafringwirt zu mir um, denn jeder in einem Auto oder Roller war ohnehin schon Luxus.
Nach dem Frühstück beim Fürst fuhren wir in einer Kolone auf den nahen Haberg und besichtigten die Sternwarte von Michael und Raffael. Da hatte Gerald nichts Besseres zu tun als sein Handy zu ruinieren, weil er einfach zu übermütig war. Nach einem kurzen Plausch trennten wir uns und fuhren nach Hause.
Dies war der zweite, wenn auch nicht im gesamten Verlauf und mit Sicherheit der letzte Venustransit, den ich beobachtete. Wenn ich zurückdenke, den ersten Transit verfolgten wir am 8. Juni 2004 gemeinsam auf der neu errichteten Sternwarte auf dem Hochbärneck. Wir hatten fast wolkenlosen Himmel und es war sommerlich warm. Diesmal, es war zwar die gleiche Jahreszeit, aber wir froren uns fast den A…. ab. Damals hatten wir auf einem Gerät einen H-Alpha Filter und übertrugen via Webcam den Durchgang für unsere Gäste auf einen Bildschirm in die Mittelhütte.
Heuer wäre eine Beobachtung auf der Alm nicht möglich gewesen, da dort der Osthorizont zu hoch ist. Da hätten wir das Schauspiel erst kurz vor dem Fall des Vorhangs beobachten können. Aber sollte ich bis zum nächsten Venustransit mal wiedergeboren werden, dann hoffentlich nicht als Reblaus, denn dann wär ich zwar auf der Welt, hätte aber nichts davon.

Roman hatte als einziger zwei Rohre im Einsatz. Mit deinem Dobson 1800/400 beobachtete er und mit seinem APO 800/115 fotografierte er. Darauf hatte er noch einen kürzeren Refraktor als Leitrohr geschnallt.
Kurt hatte seinen APO 1200/152 mit und beobachtete alles durch sein Bader Bino.
Toni hatte seinen 6“ Newton mit 500mm Brennweite im Gepäck.
Gerald spechtelte mit seinem Speki 460/80
Michael betrachtete das Spektakel durch ein Coronado Personal Solar Telescop
und ich hatte meinen kleinen Refraktor 102/500 ins Feld gestellt.
Sepp fotografierte durch den Refraktor von Werner mit 152mm Öffnung und 1200mm Brennweite.
Jürgen, Werner und Raffael fotografierten den Transit und alles rundherum.
Gudrun, Peter, Heiner und Willy spechtelten da mit, bei deren Teleskop sie gerade standen.

Mehr Fotos gibt es hier: http://www.astrostation.at/content_154-de.html#PG
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Re: Beobachtungsbericht zum Venustransit vom 6. Juni 2012

Beitrag von Patervan »

Ein interessanter Bericht, Alex.

Ihr hättet aber diese 50 hm ruhig hochgegen können,...... :roll: :wink: :wink: :wink:

Glück hattet ihr ja, da ja sonst rundherum das Wetter nicht so lange ausgehalten hat. Bei mir jedenfalls war es bewölkt.

LG
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Re: Beobachtungsbericht zum Venustransit vom 6. Juni 2012

Beitrag von Alrukaba »

Danke!

Ich bin doch nicht verrückt!

Schade :wink:

Alex
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Re: Beobachtungsbericht zum Venustransit vom 6. Juni 2012

Beitrag von Mojo »

Toller Beobachtungsbericht mit Geschichtlichen Tiefgang, gefällt mir sehr gut!

Ich finde auch, dass 50hm einige Beobachtungssekunden mehr bringen ;)

lg Martin
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Re: Beobachtungsbericht zum Venustransit vom 6. Juni 2012

Beitrag von Alrukaba »

Danke Martin!

Schön daß dir der Bericht gefällt. Vieleicht hätten wir ein paar Schnäpse trinken sollen. Dann wären die 50 Höhenmeter egal, dafür wir hätten den Transit dOPPELt gesehn :mrgreen:

Alex
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Re: Beobachtungsbericht zum Venustransit vom 6. Juni 2012

Beitrag von rorma »

Hallo Alex,

wieder ein sehr schöner Bericht von dir. Das mit den Schnäpsen hätte den Vorteil, dass der Venustransit auch doppelt so lange gedauert hätte :D .


LG und CS Robert
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Re: Beobachtungsbericht zum Venustransit vom 6. Juni 2012

Beitrag von Alrukaba »

Servus Robert!

Schön, daß dir der Bericht gefällt.

Mit ein paar Schnäpschen hätte der Transit sicher nicht doppelt so lange gedauert, aber er wär mir doppelt so lange vorgekommen :wink:

Alex
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