Wieder mal elongierte Sterne

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Überläufer
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Wieder mal elongierte Sterne

Beitrag von Überläufer »

Hallo,
ich habe mich über Ostern ziemlich mit elongierten Sternen geplagt. Bisher habe ich noch keine Lösung gefunden. Ich habe die Vermutung, dass meine Montierung "suboptimal" ist. Ich habe mal alles, was ich so über mein System weiß, zusammengeschrieben. Das ist zwar lang, sollte aber den meisten Gegenfragen zuvorkommen (falls sich jemand antut, so weit zu lesen). Falls mir jemand weiterhelfen kann, wäre ich mehr als dankbar. Hier also meine Daten, und was ich versucht habe:

Hardware
Montierung:
EQ6 ("weiße" Version) auf Stahltripod, gebraucht erworben
PE mit EQmod gemessen: Amplitude ca. 35", ein kleiner "Hüpfer"
Teleskop: SW 200/1000 Newton mit Velour ausgekleidet
OAZ: Octo60USBMot
Komakorrektor: Gyulai GPU Optics
OAG: Giant (derzeit nicht verwendet)
Filterrad: Moravian 7-fach
Kamera: Moravian 8300m
Leitrohr: Guider 9x50 Standardguider in GuideHolder50
Guidecam: ALCCD5II mono
kleiner Netzteil-Lüfter am Hauptspiegel (saugend montiert), nicht immer im Einsatz

Software:
APT 3.00
PHD 2.6.1
PHD-Einstellungen:
RA:
Hysteresis: 10-15
Aggressivität: 90-100 (je nach Seeing)
Minimale Bewegung: 0,1
Max RA-Dauer: 500
Dec:
Resist Switch
Aggressivität: 75-100 (je nach Seeing)
Minimale Bewegung: 0,10
Schnelle Wechsel f. große Abweichung
Max Dec-Duration: 500
Dec Nachführungsmodus: Auto

Laut PHD-Driftalign ist die Polausrichtung genauer als 1' sowohl in Dec als auch in RA, wahrscheinlich besser als 0,7' (was sollte bei meinem System ausreichend sein für Aufnahmen bis 1200 s?).
Versuche mit MGEN I auf dem Sucher statt ALCCD5II brachten keine Besserung, wobei nicht alle Parameter bis zu Ende optimiert wurden. Verwendet wurden die Standardparameter laut Anleitung.
Ein Versuch mit dem OAG und ALCCD5II änderte auch nichts, wobei ich mir mit der Fokusierung extrem schwer tue, sie bei Tag durchführe. Sobald ich nachts versuche, sie zu "optimieren", finde ich keine Sterne mehr (im Rahmen meiner Geduld). Ich verwende dabei PHD2.
Zum OAG muss ich dazusagen, dass das Prisma etwas gewackelt hat. Ich habe das Prisma plan an den "OAZ" des OAG ausgerichtet. Ist das richtig so? Ich habe diesen OAZ dann soweit in den OAG gesteckt, dass ca. die Hälfte der Öffnung im Prisma (über ein Okular) sichtbar ist. Es sieht nicht aus, dass das Prisma ins Bild ragt. Bei Verwendung des OAG muss ich den Filter an der ALCCD5II abschrauben, da ich sonst nicht in den Fokus komme. Einen Versuch mit OAG und MGEN I habe ich mir (aus der Erfahrung mit der ALCCD5II) noch nicht angetan.

Alle Klemmen an der Montierung, am Guider, am OAG und die Schrauben an den Spiegeln sind angezogen.
Die Kabelführung ist zwar "kreativ", doch habe ich alle Kabel mit Schnüren oder Drähten befestigt.
Den Newton habe ich 2 x frisch kollimiert (mit Cheshire), Überprüfung am Stern mit Live-Bild in APT mit der Moravian intra- und extrafokal (das ist nur mit größeren Sternen möglich, da die Auflösung in der Live-View nicht fein genug ist, auch nicht im 1x1 bin).
Das Teleskop ist vom Gewichtsausgleich absichtlich leicht ostlastig (ich nehme meist nach dem Meridiandurchgang auf). Durch das Gewicht der Moravian und des Filterrades habe ich ein relativ großes Übergewicht Richtung Süden in Dec. Da ich vom Vorgänger des Newtons einen Telrad übernommen habe, der mit Kabelbinder parallel zum Sucher befestigt und sehr praktisch ist, kann ich in Dec nicht mehr Richtung Gleichgewicht gehen, ohne ein Gegengewicht an der Hauptspiegelseite zu befestigen (nocht nicht probiert, da ich nicht weiß, wie ich das stabil schaffe).
Angesteuert wird die Montierung über EQmod und EQ6CUmi. PEC wird mit drei Durchgängen meist neu berechnet. Meist gibt es am Resultat des Bildes keinen Unterschied bei Bildern mit bzw. ohne PEC.
Bisher habe ich davor zurückgescheut, die EQ6 zu zerlegen, da ich befürchte, die Spiele nicht mehr richtig einstellen zu können.

Die Richtung der Sternelongation scheint ziemlich waagrecht zu sein, also azimutal. Wenn ich die Kamera mit OAG, Filterrad und Korrektor im OAZ drehe, ändert sich die Richtung der Elongation nur am Bild, d.h. die Richtung bleibt azimutal, woraus ich schließe, dass von der Kamera bis zum Komakorrektor alles in Ordnung ist (zumal die Richtung gleich bleibt, wenn ich statt der Moravian eine leichtere Canon an den Korrektor anschließe). Was ich noch nicht probiert habe, ist, den Newton in den Schellen zu verdrehen. So könnte ich wahrscheinlich einen Fehler im Spiegel (Astigmatismus oder Fehlkollimation) feststellen oder ausschließen.
Das System steht auf einem Balkon. Geht man während der Aufnahme darauf herum, wird die Aufnahme verwackelt. Somit habe ich ein sehr gutes seismographisches System. Normalerweise geht während der Aufnahme niemand dort herum.
Was ich merkwürdig finde, ist die (zufällige?) azimutale Richtung der Elongation. Wäre sie in RA oder Dec, wäre es klarer, was zu tun ist. Damit bitte ich das Forum um Hilfe, denn ich weiß nicht mehr weiter.
Unten noch ein Beispielbild (eine 10-min-Aufnahme).

Erich

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markusblauensteiner
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Re: Wieder mal elongierte Sterne

Beitrag von markusblauensteiner »

Hallo Erich,

meine Augen sagen, dass die Sterne diagonal nach re oben elongiert sind?

Zur Eingrenzung der Ursachen könnten kurzbelichtete Aufnahmen helfen - so kurz, dass die Montierung dir noch keinen Streich spielen kann. Sind die Eier dann weg, könntest du entweder bei der Montierung (Gleichgewicht,..) zu suchen beginnen oder beim Guiding.
Wie hängt die Kamera am OAZ? Schön auwiegen lässt sich das, wenn der OAZ "in Richtung Gegengewichtsstange" schaut, wenn das Teleskop Ri Polrais ausgerichtet ist.

LG, Markus
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Überläufer
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Re: Wieder mal elongierte Sterne

Beitrag von Überläufer »

Vielen Dank für Deine Hinweise.
meine Augen sagen, dass die Sterne diagonal nach re oben elongiert sind?
Ja, hab die Kamera mehrmals gedreht (wie beschrieben) das war ein Bild, bei dem Norden nicht oben ist.
Das ist vielleicht etwas irritierend.
Zur Eingrenzung der Ursachen könnten kurzbelichtete Aufnahmen helfen - so kurz, dass die Montierung dir noch keinen Streich spielen kann. Sind die Eier dann weg, könntest du entweder bei der Montierung (Gleichgewicht,..) zu suchen beginnen oder beim Guiding.
Ja, das wäre auch mein nächster Schritt gewesen. Gut, wenn Du mich dahin bestärken kannst.
Wie hängt die Kamera am OAZ? Schön auwiegen lässt sich das, wenn der OAZ "in Richtung Gegengewichtsstange" schaut, wenn das Teleskop Ri Polrais ausgerichtet ist.
Die Frage verstehe ich nicht ganz. Der OAZ sieht anfangs ungefähr Richtung Boden, was sich aber klarerweise im Laufe der Nacht leicht ändert. Die Kamera hängt über Filterrad, OAG und Komakorrektor am OAZ, dort nicht mit zwei Rändelschrauben fixiert, sondern - ich weiß nicht, wie das genau heißt - indem man am OAZ-Ende an der Befestigung in der Größe des OAZ-Durchmessers dreht.
Das benahe Gleichgewicht habe ich in "Arbeitsstellung" also Richtung Süden vorgenommen. Da habe ich, wie geschrieben, ein absichtliches Übergewicht Richtung Osten, um zu vermeiden, dass ich beim Guiden zu oft ins RA-Spiel gerate. In Dec ist das Übergewicht stärker, wie beschrieben.
Was ich beim Guiding noch nicht dazugesagt habe: Die RMS-Werte liegen bestenfalls in Dec um 0,4-0,5" und in RA um 0,8". Maxima gibt es bei ruhigem Seeing bis ca. 2,5", eher Richtung 2". Beim Dithern schlägt die Guideanzeige heftig aus (3-4") kommt dann aber wieder zurück. Ich habe extra eine Pause in APT eingerichtet, um die Dithereffekte auszuschließen. Könnte aber noch probieren, mal das Dithern ganz abzudrehen, denke aber nicht, dass es daran liegt.
Was mich bei der Montierung stutzig macht, ist der relativ große PE von über 30, also Spitze-Spitze von ca. 60".
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markusblauensteiner
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Re: Wieder mal elongierte Sterne

Beitrag von markusblauensteiner »

Hallo Erich,

hängt die Kamera so wie hier am OAZ? Dann ist super!

LG, Markus
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Überläufer
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Re: Wieder mal elongierte Sterne

Beitrag von Überläufer »

Ja, so wie am rechten Bild. Durch die Asymmetrie des Filterrades ergibt sich halt immer eine leichte Gewichtsverschiebung. Das korrigiere ich dann nicht mehr.
Überläufer
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Re: Wieder mal elongierte Sterne

Beitrag von Überläufer »

Mal ein kleines Update:

Ich befolgte den Tip von Markus und machte kurze Aufnahmen. Auf denen waren die Sterne in gleicher Weise elongiert. Deshalb entschloss ich mich, ganz von vorne zu beginnen.

1) Kollimation
Ich habe jetzt den Newton von Grund auf neu mit Cheshire kollimiert. Es landen jetzt alle Fadenkreuze bzw. deren Abbildungen genau in der Hauptspiegelmarkierung.
Ein kurzer Test am Stern bei - zugegeben - nicht maximal möglicher Vergrößerung zeigte konzentrische Kreise, sofern ich das durch das Seeing und in recht unbequemer Position feststellen konnte.

2) Einnordung
Ich habe die Alccd5 diesmal in den Okularauszug gesteckt - bisher habe ich einfach über den Sucher eingenordet. Als Programm verwendete ich EQAlign. Die Sterne wurden jeweils ziemlich genau im Meridian (ein Jupitermond) und im Westen gewählt. Im ersten Durchgang habe ich EQAlign je 10 Minuten laufen lassen, dann Korrektur, dann nochmal in selber Richtung 2 x ca. 5 min (bis keine großen Korrekturwertsprünge aufgetreten sind) plus ganz, ganz feine Korrekturen. Die vorgeschlagene Korrektur betrug jeweils weit unter 100 (so ca. 80 oder kleiner). Die Schwankungen durch das Seeing schienen jedenfalls größer zu sein. Deshalb habe ich das dann sein lassen.
Die Einnordung wurde ohne Meridian Flip vorgenommen, dh. der "Stern" im Süden befand sich etwas westlich des Meridians.

3) Aufnahme
Fokusierung mit APT (Octo60 mit Motorfokus - leider noch nicht der neue). Kontrolle mit Bahtinovmaske.
Schwenk zum Leo-Triplet. Start der PEC-Aufnahme von EQMod bei erreichen des Zieles und nach Kalibrierung in PHD2. Aufnahme von
31 x 5 min abwechselnd RGB. Dann hatte ich offenbar Probleme mit dem USB. Schade um den Rest der Nacht.
Die Alccd5 befindet sich als Guidecam nun wieder am Sucher.

4) Ergebnis
Die Sterne sind jetzt anders elongiert als in der Aufnahme oben. Das Muster deutet auf eine Bildfelddrehung hin, die eigentlich recht heftig sein müsste. Als alternative Erklärung fällt mir nur eine Verspannung oder Kippung in der Gegend des Komakorrektors ein. Eventuell ist die Kamera samt Okularauszug für meine Tubus zu schwer (Skywatcher 200/1000 Newton) und die beste Kollimation mit Okularen nützt nichts, wenn ich dann die Kamera anhänge und diese alles verbiegt.

5) Meine Frage
Wie gehe ich nun weiter vor? Langsam bin ich mit meinem Latein am Ende. "Schiele" ich beim Kollimieren?

Hier mein Bild mit AbberationInspector von PixInsight erstellt:
Man beachte, dass die Sterne von links unten nach rechts oben elongiert sind außer beim Ausschnitt rechts oben.
Bild

LG
Erich
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